Am Morgen des 4. Februar wachte ich mit einem seltsamen
Gefühl auf. Heute würde ich für 15 Tage nach Georgien fliegen. Zwei Wochen
keine Arbeit. Keine Kinder. Keine Kirgisen. Kein Bischkek.
Anlass der Reise war das Zwischenseminar, bei dem sich alle
Freiwilligen in Zentral und Vorderasien für eine fünftägige Seminareinheit
trafen. Die Gelegenheit kam also geradezu ideal um sich eine Woche vorher
dieses Land, von dem man nicht ganz weiß
ob man es eher zu Europa oder doch zu Asien zuordnen soll, genauer anzusehen.
Tot
müde kamen Diana und ich am 5. Februar nachts in Tiflis, der Hauptstadt
Georgiens an. Am Flughafen wurden wir ganz ähnlich wie bereits aus Bischkek
gewöhnt, von 15 Taxifahrern angesprungen.
Bereits während der nächtlichen Fährt zu einem Hostel merkte
ich, dass sich diese Stadt stark von
Bischkek unterscheidet. Dieser Eindruck würde jedoch erst richtig stark, als
ich am nächsten Tag durch die Altstadt lief. Eine ALTSTADT! Wie lange ich so
etwas nicht mehr gesehen habe! Obwohl Georgien genauso wie Kirgistan ein
ehemaliges Sowjet Land ist, fühlte ich mich plötzlich als sei ich mitten in
Europa. Wäre ich jedoch nicht aus Bischkek sondern aus Bensheim gekommen hätte diese
Wahrnehmung wohl ganz anders ausgesehen. Georgien ist geprägt durch die
unzähligen orthodoxen Kirchen und eine sehr christlich gläubige Bevölkerung.
Sitzt man in einem Bus und fährt an einer Kirche vorbei kreuzen sich alle Insassen
die Brust.
Zwei Tage verbrachte ich damit die Hauptstadt erkunden und
musste dabei aufpassen nicht in eine Frustration zu verfallen. Die Stadt, dass
Essen, die Bars, die Plätze..all das schien für mich so viel schöner,
vielseitiger, alternativer als das Bischkek mit seinen ausschließlich großen
Straßen und Blogs ohne Fußgängerstrassen und Gässchen. Auch scheint Tiflis eine
sehr alternative Szene zu haben. Sogar ein veganes sowie vegetarisches Cafe
konnte ich finden.
Nach zwei Tagen Tiflis entschieden Diana und ich uns
zusammen durch den Süden und Westen des Landes zu trampen. Damit begann ein
kleines sehr schönes Abenteuer, das mir meinen Gesundheit beinahe versaute:
Da es schwieriger ist aus großen Städten heraus zu trampen fuhren
wir zunächst mit einer Maschrutka in ein nahegelegenes Dorf. Nach einer
obligatorischen Kirchenbesichtigung dort, stellten wir uns an die nächst
größere Straße, um uns Richtung Südwesten, Zielstadt „Borjomi“ mitnehmen zu
lassen. Anfangs war es für mich eine Überwindung den Daumen raus zustecken.
Allerdings hielt bereits das dritte Auto an um uns zumindest bis zur „Autobahn“
(natürlich keine Autobahn in dem Sinne aber eine große Straße die sich einmal
durch ganz Georgien erstreckt) mitzunehmen. Am Rand der Schnellstraße standen wir keine 2 Minuten da wurden wir auch
schon von einem älteren sehr netten Georgier mitgenommen. Mit ihm fuhren wir
eine ganze Weile, unterhielten uns auf Russisch oder hörten Musik, bekamen Äpfel
geschenkt und hatten eine gute Stunde eine sehr entspannte Fahrt. Die Kommunikation mit der älteren Generation
funktioniert noch gut auf Russisch. Die jüngere Generation kann in einigen
Fällen Englisch oder tatsächlich oft auch nur georgisch. Auch auf unsere
nächste Mitfahrgelegenheit die uns direkt bis nach „Borjormi“, einem grünen
ehemaligen Kurort, brachte, mussten wir nicht lange warten. Die jungen Leute im
Auto ließen es sich nicht entgehen uns die ganze Stadt zu zeigen und
anschließend noch ein ganzes Abendessen zu bezahlen.
Am nächsten Tag konnten
wir es nicht abwarten endlich mal wieder Bäume zu sehen. In Kirgistan sind
Bäume ja leider etwas rar und so freute ich mich riesig in dem riesigen national
Park einige Stunden zu laufen. Den tiefschnee hatte ich jedoch mal wieder
unterschätzt und so war ich bald ziemlich nass und durchgefroren was angesichts
meiner anbahnenden Grippe suboptimal war (dazu später mehr).
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Endlich mal wieder Bäume! |
Noch am selben Tag
schafften wir es bis nach Akhalzihe zu trampen wo wir für zwei Nächte kostenlos
bei einer couchsurferin übernachten konnten. Couchsurfing ist ein Online Portal
indem sich Reisende gegenseitig anbieten kostenfrei bei einander zu
übernachten. So konnten wir zum Beispiel zwei Nächte kostenfrei bei Nanuka (25)
und ihrer hübschen Tochter (5) übernachten und bekamen nebenbei noch leckeres
georgisches Essen gekocht und bekamen von den beiden eine Einlage in
georgischem Gesang und Tanz vorgeführt. Das ist definitiv besser als jedes fünf
Sterne Hotel!
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Könnte auch an der Bergstraße sein... |
In der Nähe der Stadt befindet sich
die alte Höhlenstadt Wardzia (georgisch ვარძია). Es handelt sich um ein ehemaliges
Höhlenkloster, das im 12. Jahrhundert gebaut wurde. Es war ziemlich
beeindruckend die 3.000 Höhlenwohnungen vor sich zu haben, vorallem wenn man
bedenkt, dass weitere Höhlenklöster in Georgien noch immer von Mönchen bewohnt
sind. Die 3.000 Höhlenwohnungen boten ehemals Platz für 50.000 Menschen. Das
bedeutet Bensheim könnte „ohne Probleme“ einziehen..
Da das Kloster eher sehr abgelen ist, und wir auf dem Hinweg
einfach großes Glück beim trampen hatten, kamen wir in die unangenehme
Situation nicht zu wissen wie wir wieder weg kommen. Da Februar definitiv nicht
Georgiens Touristen Saison ist, waren wir die einzigen Besucher. Lediglich zwei
Mitarbeiter konnten wir finden, die zunächst fest darauf bestanden bei ihnen im
Gasthaus zu nächtigen. Nach dem wir lange diskutiert und klar gemacht hatten,
dass wir nach Akhalzihe wollen und dort eine Übernachtungsmöglichkeit haben
(Nanuka- die sich später als Nichte des Mitarbeiters entpuppte:D ), war der
Mitarbeiter so nett uns in die nächste Stadt zu fahren, da dort eine Maschrutka
fuhr
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Und vor uns erstreckt sich immer wieder der kleine Kaukasus |
.
Der nächste Tag begann für mich mit zwei schlechten
Nachichten. 1. Es schneit. 2. Meine Erkältuing, die ich die ganze Reise über
unterdrückt hatte, war zu einer schmerzhaften und sichtbaren Mandelentzündung
geworden. Die Reise wollte ich mir jedoch nicht versauen lassen. Also deckte
ich mich in der Apotheke mit Medikamenten ein (Antibiotika gibt es wie in
Kirgistan rezeptfrei) und lief mit Diana durch den Schnee zur großen Straße um
weiter zu trampen. Das Sprechen musste allerdings sie übernehmen..
Nach einigen netten Mitfahrgelegenheiten kamen wir an die
Kreuzung die nach Kutaisi und Batumi am schwarzen Meer führte. Noch bevor wir
den Daumen raushielten hielt ein Lkw an um uns mitzunehmen. Auch wenn es mir
gesundheitlich in dieser Zeit ziemlich schlecht ging, war dies definitiv die
angenehmste Fahrt. Zum einen war es natürlich super cool mal in einem so hohem
„Auto“ zu sitzen. Zum anderen war der Lkw Fahrer ein sehr angenehmer Mensch,
der mit sicherheit der sicherste Fahrer von allen war. Auch er lud uns zu einem
leckeren Mittagessen ein.
So tuckerten wir 4 Stunden nach Kutaisi. Dort fanden wir
schnell ein Hostel, indem wir auf weitere Deutsche trafen. Meine Gesundheit
zwang mich dann doch langsam zu machen und die nächsten zwei Nächte in Kutaisi
zu bleiben, auch wenn das bedeutete, dass wir das schwarze Meer nicht mehr
erreichen würden. Auch von Kutaisi bekam ich nicht viel mehr mit als den Markt
und einen Friedhof, der ganz anders aufgebaut war als die mir bekannten
Friedhöfe. Jedes Grab, meistens Familiengrab, war wie ein kleines Gärtchen
eingezäunt. Es befand sich jeweils ein Tischchen und eine kleine Bank innerhalb
des eingezäunten Grabbereichs und das Gesicht der verstorbenen war in den
Grabstein eingraviert. Dabei stoß man auf so manche witzigen Darstellungen.
Sonntag war es dann auch schon Zeit zurück nach Tiflis zu
fahren, da Montag morgen, dass Zwischenseminar in Saguramo, nahe Tiflis, statt
finden würde. Ich entschied für mich, dass ich in meinem immernoch schlechten
Gesundheitszustand lieber nicht trampen wollte. So fuhr ich zum ersten Mal seit
6 Monaten Zug. Es war definitiv die entspannteste Zugfahrt die ich je hatte.
Und natürlich so billig, dass der deutschen Bahn die Augen aus dem Kopf fallen
würden…
Das Zwischenseminar fand in Saguramo nahe Tiflis statt. Dort
lebt ein Georgisch-deutsches Ehepaar mit einigen Pflegekindern und zwei
Freiwilligen aus Deutschland. Außerdem befindet sich eine Art Schule auf dem
Gelände, die alternativen Unterricht wie Musik, Kunst etc anbietet. Ab dem
nächsten Jahr soll außerdem eine Handwerksberufliche Ausbildung in der
Einrichtung möglich sein.
Auf dem Zwischenseminar traf ich dann auf 28 deutsche
Freiwillige, die in Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, der Ukraine oder
Tschadschikistan ihren Freiwilligen Dienst leisten.
Es war eine besondere Zeit für mich, in der ich mich zum
ersten Mal umfassend mit den vergangenen 6 Monaten beschäftigen konnte.
Außerdem konnte ich viel Kraft aus dem Austausch mit den anderen Freiwilligen
schöpfen. Gleichzeitig war es natürlich umso schwerer nach den
gemeinschaftlichen Tagen wieder auseinander zu gehen und zu wissen, wie schnell
wir wieder im Alltag landen würden.
So flog ich mit gemischten Gefühlen zurück
nach Bischkek und wusste, dass mir das Essen, die grüne Landschaft und die
„alternativere“ Szene Georgiens fehlen würde. Als ich jedoch die ersten
Kirgisischen Gesichter sah. Durch die mir mitlerweile so vertrauten Straßen
fuhr, konnte ich wahrnehmen wie ich mich hier bereits „Zuhause“ fühle.
Neues aus Ümüt-Nadjeschda:
Einige Berichte zuvor, schrieb ich über meine zusätzliche
Arbeit in der Wohngruppe von Ümüt-Nadjeschda. Der Ort, an dem einige
Schüler*innen gemeinsam wohnen. Ich berichtete von der deprimierenden Situation
dort, und dem Mangel an Spiel-, Mal- und Lernsachen. Daraufhin bekam ich eine
Nachricht von der Kletterhalle Bensheim, die meinen Kids gerne ein paar
Spielsachen zukommen lassen würde. Statt dem alljährlichen Weihnachtsgeschenk
an die Mitarbeitenden, wurde in diesem Jahr Spielzeug, Lernmaterial etc. für die Bewohner der Wohngruppe gesammelt. So
erhielt ich zwei riesen große Pakete aus Deutschland, die ich am Dienstag, den
21.02. in die Wohngruppe brachte. Ich untertreibe NICHT, wenn ich sage, dass
ich die Wohngruppe noch nie so lebendig erlebt habe! Der auf mich sonst sehr
grau und deprimierend wirkende Ort war an diesem Tag von so viel Begeisterung
Freude und Aufregung gefüllt wie ich es noch nie dort wahrnehmen konnte. Die
Kinder machten große Augen, und auch die Betreuerinnen dort, die ich sonst eher
als gestresst und übermüdet wahrnehme, waren vollkommen hin und weg. Ich möchte
mich hiermit nochmal ausdrücklich und herzlich bei dem High-Moves Team der
Kletterhalle Bensheim und vorallem bei der Geschäftsführung Eric und Michael
bedanken! Ich wünschte ihr hättet die großen Augen der Betreuten live
gesehen. Am Ende riefen alle laut:
„Spasiba-tschong-rachmat-Dankeschön!“ Danke auf russisch, kirgisisch und
deutsch.
Das wars jetzt auch erstmal, ich danke fürs lesen, ich danke
den High-Movies
ნახვამდის!
Nachvamdis!
(Tschüss auf georgisch)
Eure Lissa