Sonntag, 26. März 2017

Vom kirgisischen Neujahrsfest im März, meinem Alltagsleben und vom Fahhradfahren in Bischkek

Ich mit einer meiner Schülerinnen und einer Freiwilligen aus Turkmenistan in traditionell kirgisischen Kleidern


Am 21. März wurde in Kirgistan das Fest des Jahreswechsel „Noorus“. Es wird in ganz Zentralasien gefeiert und markiert den Wechsel vom Winter zum Frühling. Es ist der Tag an dem die Nacht exakt gleich lang ist wie der Tag. Da nach diesem Tag die Tage länger als die Nächte werden, kennzeichnet dieser Tag den Frühlingsanfang.  Noorus ist ein sehr alter Feiertag, und ist auf die Zeit zurückzuführen, als die Zentralasiatische Kultur hauptsächlich vom Schamanismus geprägt war. Deshalb war unser Fest in der Schule  im Vergleich zu den sonst sehr waldorf oder russisch geprägten Festen sehr traditionell kirgisisch und scharmanisch.
Am 20. März, also ein Tag vor dem eigentlichen Fest, feierten wir mit den Kindern in der Schule Noorus. Dafür probten wir natürlich wochenlang. Dies zeichnete sich allerdings auch aus. Ich selbst führte mit meinen Mitfreiwilligen und einigen Kolleginnen einen traditionellen kirgisischen Tanz auf. (Natürlich wurden wir vorher alle in traditionelle Kleider gesteckt). Desweiteren wurden einige scharmanische Rituale durchgeführt, wie zum Beispiel eine symbolhafte  Ausräucherung des Raumes.




Auch sehr interessant ist eine Honig ähnliche Nascherei die es nur zu diesem Feiertag gibt: Sümelök. Die Legende dazu lautet in etwa so: Eine Mutter mit vielen vielen hungrigen Kindern konnte nicht alle Kinder satt bekommen. Um die hungrigen Kinder zu beruihgen begann sie Wasser in einem Topf zu rühren und ein wenig Korn hinzuzufügen. So tuend als koche sie rührte sie stundenlang in der Wasserbrühe herum. Die Kinder fragten: Wann ist das Essen fertig?“ „Bald, Bald“ war die Antwort immer wieder bis die Kinder müde wurden und schliefen. Die Mutter rührte letztendlich einen Tag und eine Nacht bis dann tatsächlich eine leckere Honig ähnliche Speise entstand.
Noch heute wird zur Noorus Zeit die 24 stündige Zubereitung von Sümelök Tanzend und singend zelebriert. Auch ich habe natürlich diese bräunlich-schleimige Speise gekostet und kann sagen: Ist okay, aber auslöffeln wie viele es hier tun könnte ich es nicht. Außerdem sind die Zutaten mittlerweile wohl weitaus mehr als Korn und Wasser. Jedenfalls soll es sehr gesund sein vor allem für Magen und Darm…
Meine Klasse-die Werkoberstufe (es fehlen allerdings einige!)



Am nächsten Tag hatten wir dann erstmal frei. Aber ausgeschlafen habe ich trotzdem nicht. An diesem Feiertag würde in Bischkek nämlich einiges los sein. So starteten wir den Tag auf dem großen Ala-Too Platz der von menschen überfüllt war. Der Bürgermeister redete und las einen Brief des Präsidenten vor- gäähn. Später wurden kirgisische Tänze aufgeführt. An den Seiten wurden jeweils nationale Spiele mit Schafs und Kuhknochen gespielt und natürlich allerhand Sümelök verkauft. Zu den Reiterspielen im Hippodrome habe ich es zeitlich nicht mehr geschafft (Am 1. Mai werde ich aber definitiv dort hingehen!)



Da ich oft nur von außergewöhnlichen Tagen und Aktionen oder meiner Arbeit berichte glaube ich, dass sich viele meinen Alltag in Bischkek nicht oder kaum vorstellen können. Und das ich mittlerweile einen Alltag habe ist nicht abzustreiten. Montags bis Freitags arbeite ich von 9-16 Uhr. Zweimal die Woche besuche ich einen Russisch Kurs. Damit sind meine Tage  schon gut gefüllt, so dass ich oft totmüde abends heimkomme. Es ist schon seltsam, einerseits gibt mir die Arbeit mit den Kindern sehr viel Energie und ich fange jetzt, in der „zweiten Halbzeit meines Jahres“  erst richtig an mutig genug zu sein um von mir selbst aus Initiative zu ergreifen. Als Beispiel könnte man hier nennen, dass ich eine Logopädie Therapie mit eines meiner Mädchen anfange. Auch am Beispiel einer anderen Schülerin fällt mir auf wie wichtig meine Eigeninitiative hier ist. So hat sich ihr Zustand in den letzten 2 Monaten derart verbessert, dass ich von diesen wundervollen Resultaten natürlich ganz viel Energie zurück bekomme. Andererseits verliere ich diese Energie super schnell an Kleinigkeiten aus dem Arbeitsumfeld wie zb Kollegen, Chaos im Klassenzimmer und nicht auffindbaren wichtigen Unterrichts und Therapie Materialien.
Letzte Woche habe ich mit meinen Schüler*innen fleißig Kekse gebacken


Aber nun berichte ich ja schon wieder von meiner Arbeit…

In der verbleibenden Freizeit habe ich mich seit ich hier bin mit der Suche nach einem Hobby beschäftigt. Anfangs ging ich viel Joggen- dann kam der Winter. Joga habe ich ausprobiert, eine Meditationsgruppe habe ich einige Male besucht (habe dann aber eingesehen dass ich einfach zu wenig von dem was geredet wird verstehe) bin sogar ein mal (und nie wieder!) zum Zumba gegangen, weil ich dachte ich nutze die Zeit hier um mal Dinge auszuprobieren, die ich  normalerweise eher nicht machen würde. Da dies alles nicht überzeugend war beschloss ich zu meinen alten Hobbies zurück zu kehren. Als erstes versuchte ich mein Glück in den Zwei „Kletterhallen“. Eine davon ist sehr „old-school“ und ich muss gestehen, dass ich mich nicht besonders sicher gefühlt habe. Die zweite ganz neu eröffnete Halle glich in etwa einem „Kidsworld“.  So entschied ich mich also  es doch wieder mit Fußball zu versuchen und nun gehe ich jede Woche mit einigen kirgisischen und nicht kirgisischen Jungs und Mädels kicken.

Außerdem konnte ich endlich ein altes Fahrrad auftreiben für das ich 3000 Som bezahlte (ca  40 Euro)
Das Fahrradfahren in Bischkeker Straßen ist bei hiesigen Infrastruktur eine Sache für sich. Ich habe also die Wahl zwischen dem Bürgersteig, der von Löchern und Hubbeln überseht ist und der großen recht gut geteerten Straße mit den verrückten Maschrutka Fahrern und hupenden und an mir vorbeirasenden Jeeps und anderen Autos.
Während ich zu Beginn das Gefühl hatte die einzige Fahrradfahrerin in ganz Bischkek zu sein, habe ich heute an  einer super überraschenden Veranstaltung, die einer „Critical mass“  glich teilgenommen. Mit über 1000 Fahrradfahrenden Menschen fuhren wir die zwei größten Straßen Bischkeks entlang und blockierten diese damit für den ganzen Vormittag! Am Rande der Straße standen jede Menge Leute mit ihren Handys und waren ganz hin und weg von der zweirädrigen Masse auf der Straße. Für mich ein tolles Erlebnis auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielte.






So viel zum „Neujahr“ , meinem Alltag und tausenden Fahhradfahrenden Bischkeker*innen.
Jetzt warte ich erstmal ganz gespannt darauf in einer Woche meine Eltern am Flughafen abzuholen und ihnen mein Leben hier zu zeigen und eine Woche durch Kirgistan zu reisen!

Machts gut, danke fürs dran bleiben
Eure Lissa!

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