Mittwoch, 26. April 2017

Besuch meiner Eltern: Ein mal Kirgistan im Schnelldurchlauf


Salam ihr Lieben!


Ich weiß nicht wie es euch gerade so geht, aber hier scheinen die Uhren schneller zu ticken als ich es erwartet hätte. Vielleicht liegt es auch daran, dass mein Aufenthalt hier begrenzt ist und ich die Beobachtung der Zeit deshalb so unglaublich faszinierend finde. Vor kurzem habe ich mich noch durch die vereisten Schneestraßen gekämpft und jetzt bricht hier ein Frühling ein, den man in Deutschland Sommer nennt!
 Man könnte sagen je länger ich hier bin desto schneller vergeht eine Woche. Ein Monat. Deshalb verlängern sich die Abstände meiner Blogeintrage..

Wie einige von euch wissen werden, waren meine Eltern 12 Tage zu Besuch.  Am Morgen des 2. Aprils stand ich also um 5 Uhr am Flughafen „Manas“ um sie nach über  7 Monaten wieder zu sehen, ihnen mein Leben hier zu zeigen und mit ihnen für 8 Tage durch das Land zu reisen.

Der erste Tag in Bischkek mit meinen Eltern - und ich schleife sie gleich mal auf den Osch-Basar, durch die halbe Stadt, und in mein Lieblingscafé sowie mein Lieblingsrestaurant. Wenn ich daran denke wie viele Eindrücke und vor allem Gegensätze ich den Beiden an ihrem ersten Tag schon zugemutet habe, ziehe ich den Hut vor ihnen. Aber da mein erster Tag auch ein erbarmungsloses „In die Stadt hineingeworfen und sofort los legen müssen“ war, glaube ich, dass sie sich dafür gut vorstellen konnten wie es mir am ersten Tag erging.

Am nächsten Tag musste ich arbeiten, so dass sie die Gelegenheit hatten, sich das ganze mal auf eigene Faust anzusehen. Am Abend hörte ich mir gespannt ihre Eindrücke an. Eine super-moderne Shopping-Mall, ganz im Stile des Westens,  inmitten der sonst eher heruntergekommen sowjetischen Gebäude, ist wohl einer der stärksten Kontraste, der den beiden in Erinnerung an die Stadt  bleiben wird. Am Tag darauf kamen sie mich auf meiner Arbeitsstelle besuchen. Es war für mich sehr wichtig, zu zeigen wie und wo und mit wem ich jeden Tag 7 Stunden arbeite. Außerdem hatten meine Eltern allerhand nützliche Geschenke für meine Klasse dabei. Neben einem Sonnensegel für Draußenunterricht im Frühling und Sommer, einer Hängematte, Lernmaterialien waren auch alte Dinge aus meiner Kindheit dabei, wie zb eine Schaukel.


Ich führte meine Eltern durch die ganze Schule, stellte ihnen alle Kolleginnen und Kollegen vor. Die Reaktion war immer ziemlich exakt die gleiche: похожа на Маму, да? ваша дочка очень хорошая девочка, она очень много помогает… !“  (übersetzten könnte man das so: Du kommst ja total nach der Mama, nicht wahr? Eure Tochter ist ein sehr gutes Mädchen, sie hilft uns wirklich viel…..)
Ich glaube meine Eltern waren ein bisschen erstaunt, dass ich mittlerweile tatsächlich auf russisch sprechen, verstehen und für sie übersetzen kann.

Am nächsten Morgen in aller Frühe brachen wir zu unserem- zugegebenermaßen geführten- Trip auf. Sultan, ein Kirgise der über das Incoming-Programm der Freunde der Erziehungskunst R.S. einen Freiwilligen Dienst in Deutschland gemacht hat, war mir durch meine Einrichtung schon bekannt. Ein super netter Kirgise und oft „deutscher“ als wir, dem es gelang uns in so kurzer Zeit zu vielen wundervollen Orten zu fahren.

Hier unsere Reise:

Tag eins und zwei: Arslanbob

Den ersten Tag haben wir im Auto verbracht. Einmal vom Norden Kirgistans in den Südwesten- nah an der Grenze zu Usbekistan . Während der Fahrt fuhren wir durch gigantische Schneefelder! Weit und breit nichts außer Schnee, fuhren wir Berge rauf und runter. Wer es noch nicht gehört hat: Ich habe das große Glück den Jahrhundertwinter erwischt zu haben. Normalerweise wäre nämlich unser erster Zielort, Arslanbob, im April schon ein grünes Paradies. Für uns hieß es dann eher weiß und kalt. Umso wärmer wurde uns als wir in unserem Gasthaus , das wie alle Häuser unserer Reise von einer Familie geführt wurde, ankamen. Dort wurden wir lecker mit Lagman bekocht. Maschrur, der Gastvater gesellte sich nach dem Essen zu uns. So erfuhren wir einiges über Arslanbob und seine Hintergründe. Zum Beispiel, dass der usbekische Anteil deutlich höher liegt als der kirgisische. Dies spürten wir sehr deutlich als wir am nächsten Tag durch die Stadt liefen. Frauen waren ausschließlich mit Kopftüchern auf der Straße und schauten den Männern nicht in die Augen. Auch waren Frauen nur mit Frauen unterwegs und Männer  nur mit Männer. Der Islam ist dort viel präsenter als im Norden. Der Ort scheint allerdings auch schon an Touristen gewöhnt zu sein, und immer wieder grüßten uns einige Schulkinder mit einem  neugierigen, englischen „Hello!“
Ich hatte mich sehr auf Arslanbob, das für seine Walnuss Wälder bekannt ist gefreut und war dann erstmal ein bisschen frustriert, dass uns der Schnee dem Wandern einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Maschrur unser Gastvater
Das erste Kamel, das ich in Kirgistan gesehen habe!
Walnusswälder im Schnee..

Neugierige Schulkinder auf dem Weg durch Arslanbob
Autofahrt durch unendliche Schneefelder

Tag 3: Kyzyl-Oi

Kyzyl-Oi (befindet sich in der Landesmitte) ist kirgisisch und heißt so viel wie rote Kule. Und wenn man sich in dem Dorf befindet trifft es das auf den Punkt. Rund herum befinden sich rote (oder eben weiße!) Berge. Die Fahrt dorthin führte uns durch steile Schluchten, auf wie immer holprigen „Straßen“.
Wieder einmal erwartete uns ein kirgischisches Festmahl! Die Unterkunft war mehr als sympathisch- wenn auch aufgrund des Stromausfalls ziemlich kalt. Aber das Abendessen im Kerzenschein passte perfekt in die Atmopshäre.
Strom oder nicht - der Tisch immer Randvoll!




Tag 4 und 5 Koschkor

Am nächsten Tag spazierten wir durch das Dorf Kyzyl-Oi und machten uns durch atemberaubende rote Felslandschaften und stets umringt vom Ala-Too Gebirge, auf zum nächsten Ziel.
Inmitten des kleinen Dörfchens Kyzyl-Oi...deutsche Werbung auf deutschen Autos, daran habe ich mich schon längst gewöhnt.


Nach der Ankunft in Kosckor, dass sich westlich vom Issyk-Kul befindet, waren wir erstmal alle platt und freuten uns mal wieder duschen und ein bisschen entspannen zu können.
Der nächste Tag war dafür umso ereignisreicher. Wir mieteten ein Pferd und ritten zu einer Schäferfamilie, die außerhalb des Dorfes wohnt. Ende April werden sie mit all ihren Tieren noch ein ganzes Stück höher in die Berge ziehen und in ihrer Jurte leben. Nachdem wir mit Ihnen den obligatorischen Tee getrunken hatten, liehen sie uns ihren Esel aus, so dass wir mit Pferd und Esel einige Stunden in den Bergen unterwegs waren. Das war für mich ein ziemlich besonderes Erlebnis. Auf dem Pferd oder Esel zu sitzen, dabei durch die schöne Berglandschaft zu reiten und einfach nur zu staunen und die Sonne  zu genießen, war für mich definitiv ein großes Highlight. Ich wollte das Pferd gar nicht mehr her geben und bin jetzt drauf und dran reiten zu lernen. Das ist eines der letzten Dinge die ich von mir erwartet hätte.



Am Abend fuhren wir in eine alte Salzgrotte, die ehemals zum Salzabbau genutzt wurde. Jetzt stellt sie ein Sanatorium für Lungenkranke da. Die Vorstellung, dass die Patienten 10 Nächte in der muffigen feuchten und staubigen Höhle schlafen würden war für mich etwas seltsam.


Tag 6 Fahrt nach Karakol über magische Orte.


Auf der Fahrt nach Karakol, östlich des Issyk-Kuls machten wir Stops an atemberaubenden Orten.
Skazka =Fary Tale canyons: der Name spricht für sich.
 Hier ein paar Bilder zu diesem magischen Ort.





Barskon und „Little Tibet“. Der geheim Tipp Sultans und ein Platz, den wir ohne ihn und sein Auto  nicht erreicht hätten.  In ziemlich dünner Luft liefen wir die letzten eineinhalb Stunden zu dem für jeden von uns höchsten Punkt von 4028Metern. Das Gefühl und die Aussicht war gigantisch- und zumindest den letzten Abschnitt hatten wir auf eigenen Füßen erreicht.





Mir ist immer noch ein Rätsel wie die Kühe und pferde in dieser Höhe, bei diesem Schnee Gras finden  wollen..

Am Abend kamen wir in Karakol an. Wir überglücklich von den Natureindrücken und Sultan überglücklich , dass sein Auto diese extreme Höhe durchgestanden hatte. So stoßen wir alle erstmal mit einem Bier an, auf das wir uns schon die ganze Reise gefreut haben. Das Gasthaus in Karakol, der touristischen Stadt, die euch von meinem Januarbericht bekannt sein dürfte, war vergleichweise ziemlich luxuriös. Plötzlich waren Wifi, ein richtiges Bad und sogar Fernseher da. Das meiste hatte ich nicht im geringsten vermisst (außer dem Bad vielleicht..)

Tag 7: Wanderung bei den 7 Bullen.

Schon seltsam denselben Ort mit meinen Eltern aufzusuchen, an dem ich schon einige Monate vorher wandern war. Doch diesmal ohne Schnee, sah alles ziemlich anders aus und wir wählten auch  eine ganz andere Wanderung.


Anschließend besuchten wir den Karakoler Basar, die orthodoxe Kirche und tranken genialen Kaffe.
Dies war der letzte Abschnitt der Reise. Am nächsten Morgen schon machten wir uns morgens auf den Weg um entlang des Issyk-Kuls zurück nach Bischkek zu fahren. Auf den letzten Kilometern machte das Auto langsam schlapp, so dass ich wirklich froh war, dass wir die ganze Reise bis zurück nach Bischkek ohne größere Probleme geschafft hatten.

Schade war nur das drei Reiseziele kurzfristig gekänzelt wurden, da einige Bergpässe wegen Lawinengefahr geschlossen waren. Allerdings weiß ich auch nicht wie wir weitere Punkte hätten unterbringen können. Denn ich hätte sowieso gerne an jedem Ort deutlich mehr Zeit zum wandern verbracht.

Ich freue mich jetzt umso mehr auf den Sommer und meine langen Ferien, in denen ich einige der Orte (und andere) zum wandern und zelten nochmal aufsuchen werde.

Nachdem Abschied meiner Eltern am Flughafen wurde ich ziemlich schnell wieder zurück in den Alltag geworfen. So dass, der Besuch von Ihnen manchmal ganz unreal in meiner Erinnerung ist. So schnell sie kamen so schnell waren sie auch schon wieder weg…


Zu allerletzt ein kleiner Aufruf an alle jungen Leser*innen, die ein Jahr mal was ganz anderes machen wollen:  Bis jetzt gibt es noch keine nachrückenden Freiwilligen in Ümüt-Nadjeschda. Derzeit sind wir sieben Freiwillige! Die Vorstellung, dass ab September kein Freiwilliger in Ümüt arbeitet macht mich sehr betroffen. Die Freiwilligen sind eine sehr wichtige und große Hilfe hier (ich hoffe das klingt jetzt nicht überheblich). Wir jungen Leute mit weniger Erfahrung haben oft nochmal eine viel engere, freundschaftliche und vertrautere Beziehung mit den Kindern und Jugendlichen. Ich kann diese Freiweilligen Dienststelle nur empfehlen. Wer interessiert ist kann sich sehr gerne an mich wenden und ich gebe sehr gerne Auskunft!

Bis dahin alles Gute, bleibt am Ball
Eure Lissa

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